Konzert „Unerhört!“

Clemens Bittlinger und Pater Anselm Grün waren auf Einladung der evangelischen Kirchengemeinden aus Lorsch, Einhausen und Schwanheim zu einem Konzert nach Lorsch gekommen. Die Nibelungenhalle war restlos ausverkauft. Seit dem ersten ökumenischen Kirchentag 2003 stehen der evangelische Pfarrer und Liedermacher Clemens Bittlinger und der katholische Ordensbruder Anselm Grün ab und zu gemeinsam auf der Bühne. Der Lorscher Pfarrer Renatus Keller begrüßte das Publikum und freute sich über das volle Haus.

© Lotz

Publikum singt Ständchen

Er erzählte, dass Pater Anselm Grün Anfang des Jahres Geburtstag hatte und wie sehr er sich auch jetzt noch über ein Ständchen freuen würde. Auf Anhieb sang das Publikum mehrstimmig. Grün war sichtbar gerührt. Dann betrat Clemens Bittlinger die Bühne. Der Liedermacher und seine Band wurden mit tosendem Applaus empfangen. Er stellte seine Musiker vor: David Plüss (Keyboard) sowie David Kandert (Schlagzeug). Bittlinger war gut gelaunt und witzelte: „Ich begrüße sie hier im Parkhaus in Lorsch. Wieviel Jahre hat der Architekt für den Bau bekommen?“ Nicht alle Besucher fanden die Aussage über die Halle gut. Aber da fast alle einen Parkplatz gesucht hatten, lachten viele mit.

Schon mit dem ersten Lied von der neuen CD „Unerhört“ versöhnte er das Publikum. „Unsere kleine Stadt“ thematisiert die Landflucht. „Geh nicht fort, kauf vor Ort. Sonst wird dies ein toter Ort.“ Am Kopfnicken erkannte man im Publikum die Zustimmung. Bittlinger erzählte von seinen Irlandreisen und den rund 1000 irischen Reisesegen und dem irischen Spruch: „Freunde sind Gottes Entschuldigung für Verwandte.“

 

Das Thema Flüchtlinge zog sich wie ein roter Faden durch die Moderation von Bittlinger. „Es gibt keine Fremden, sondern nur Freunde, die wir noch nicht kennen.“ Er kommentierte die Fernsehbilder der letzten Wochen mit: „Bitte heißen sie die Flüchtlinge nicht nur in den ersten drei Tagen willkommen.“

Drohung wegen Kritik am Papst

Fast hatte das Publikum das Gefühl, bei einem irischen Rockkonzert zu sein. Bittlinger kritisierte den Umgang mit Smartphones. „Früher haben Eltern ihr Baby im Kinderwagen durch die Gegend geschoben und mit ihm ununterbrochen geredet. Heute wird der Kinderwagen mit der linken Hand geschoben, die rechte Hand bedient die Tastatur des Smartphones.“ In „Gefällt mir“ kritisiert er soziale Netzwerke wie Facebook – vor allem die vielen Freunde, die man dort habe und im wahren Leben nicht kennt. Bittlinger wurde 2012 im Internet wegen seines papstkritischen Lieds „Mensch Benedikt“ heftig kritisiert. Er erhielt sogar Morddrohungen und wurde unter Polizeischutz gestellt.

Anselm Grün wurde zuletzt ebenfalls heftig im Internet kritisiert. Sein Orden hat in Würzburg ein Seminarhaus verkauft. Dazu einen Parkanteil mit Bäumen, damit die Stadt, neue Wohnungen bauen konnte. Obwohl neue Bäume gepflanzt wurden, wurde Grün übel beschimpft. Auch er spielte mit dem Wort „Unerhört“. Er bat die Zuhörer, vor allem auf die eigene Stimme zu hören – auch im Umgang mit Flüchtlingen. Er führte dafür Zitate aus der Bibel an. Jesus sei nicht politisch korrekt gewesen, sondern habe auf sein eigenes Herz und Gottes Stimme gehört.

In „Tätowietisch“ kritisiert Bittlinger den Modetrend, sich mit Tinte Schmuckbilder in die Haut stechen zu lassen. In „Asyl“ und „Flüchtlinge“ wunderte er sich über Politiker, die die Flüchtlingsströme nicht vorher gesehen haben. Denn Deutschland sei die Nummer vier bei Waffenexporten. Über Umwege auch in die Länder, aus denen Menschen heute wegen Kriegen fliehen.

„Unerhört“ fänden viele Menschen, die zu Gott beten und ihn um Hilfe anflehen, dass er nicht hilft. Die Künstler machten klar, dass niemand Gott zu seinem Wunscherfüller machen dürfe. Flüchtlingen sollte offen begegnet werden. Das Klaviersolo von David Plüss leitete über zu „Unter jedem Dach wohnt ein Ach“. Das Publikum sang mit. Anselm Grün erzählte, warum Gottes Wege manchmal unergründlich sind. Ein Dach über dem Kopf und Freunde seien wichtig für jeden Menschen. Bittlinger: „Streif Dir über dieses Kleid, schützt Dich vor Einsamkeit.“

Die beiden Kirchmänner spielten sich die Bälle nur so zu. Höhepunkt: Bittlinger interviewte Grün, fragte nach den Charakteren seiner Ordensbrüder. Antwort: „Früher sind Menschen ins Kloster eingetreten, die die Welt verändern wollten, heute sind es die, die Schutz und Zuflucht suchen.“

Die Lieder und Ratschläge von Pater Anselm Grün passten zum Konzert zusammen. Erst nach einer Zugabe durfte Bittlinger die Bühne verlassen. Im Foyer signierte er seine CDs und Pater Anselm Grün seine Bücher. gg

© Bergsträßer Anzeiger, Freitag, 18.09.2015

 

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