„Austausch ist gut für alle“

         Portugiesische Pfarrerin für internationale Kontakte

 

Kirche in der Minderheit, in der Diaspora! Was heißt das eigentlich? Das konnten die Besucher von Lichtbildvorträgen in den evangelischen Kirchengemeinden Schwanheim, Zotzenbach und Zwingenberg aus berufenem Munde erfahren. Die portugiesische Pfarrerin Sandra Reis war zu Gast im Evangelischen Dekanat Bergstraße und berichtete über die evangelisch-presbyterianische Kirche, die in ihrem Heimatland nur rund 2.000 Mitglieder hat.Sandra Reis (Foto oben) ist Vizepräsidentin der evangelisch-presbyterianischen Kirche und Pfarrerin in Figueira da Foz, ca. 230 Kilometer nördlich von Lissabon. Dass sie in Portugal eine Minderheitenkirche vertritt, spielt für sie im Alltag keine Rolle. “Wir haben gute Beziehungen zur katholischen Kirche. Ich fühle mich als Pfarrerin respektiert und akzeptiert.  Auch wenn wir anders Gottesdienst feiern, andere Lieder singen oder unterschiedlich beten, können wir doch vieles gemeinsam machen. Als Christen haben wir die gemeinsame Mission, das Evangelium zu verkünden. Ich fühle mich als Teil der Familie.“Auch wenn Portugal ein katholisch geprägtes Land ist, fühlt sich Sandra Reis als Pfarrerin akzeptiert und respektiert. Aber weil Frauen als Geistliche in Portugal nun mal Seltenheitswert haben, kommt es mitunter zu Missverständnissen. Sandra Reis war bei einem Zahnarzt, der sie für einen „pastor“ hielt. Er meinte, angesichts dieses Berufes habe sie aber schöne Hände. Das portugiesische „pastor“ heißt auf Deutsch Schäfer. Pfarrerin Reis stellte klar: sie beaufsichtige keine Schafe, sondern arbeite mit Menschen.

 

Die finanzielle Lage ihrer Kirche beschreibt die 39jährige als andauernde Herausforderung. Die 14 Pfarrerinnen und Pfarrer sind längst nicht alle hauptamtlich tätig, etliche gehen einem Nebenberuf nach, um ihren Lebensunterhalt bestreiten zu können. Die Kirche besitzt zwar einige Häuser, die vermietet sind. Doch die Mieteinnahmen gehen zurück und der Renovierungsbedarf steigt. Die Gaben der Gemeinde im Gottesdienst und die  Zuwendungen der Landeskirche sind die Haupteinnahmequellen. Hinzu kommen die Spenden von ausländischen evangelischen Kirchen insbesondere in den USA, der Schweiz, und Deutschland für Projekte in der Jugend-, Frauen- oder Bildungsarbeit. „Mit dem Geld“, sagt Sandra Reis, „ist es ein ewiger Kampf, der Monat für Monat neu ausgetragen wird“.

Erschwerend wirkt sich die Wirtschafts- und Finanzkrise aus, durch die weitere Einnahmen weggebrochen sind. Ein Problem nicht allein der evangelischen Kirche Portugals. Viele junge und gut ausgebildete Menschen seien emigriert – nach England, nach Deutschland, nach Luxemburg und in die Schweiz, erzählt die Pfarrerin. Früher hätten viele ihr Glück im benachbarten Spanien gesucht. Doch das habe jetzt mit ähnlichen Problemen zu kämpfen wie Portugal. „Ich kann die jungen Menschen gut verstehen. Sie suchen eine Perspektive. Für uns in Portugal werden die Probleme dadurch aber größer – nicht nur in finanzieller Hinsicht“,  betont Sandra Reis. Nach ihren Angaben sind allein 1.500 portugiesische Krankenschwester wegen der Krise im Land nach Deutschland gegangen. Fast so viel wie ihre gesamte Kirche Mitglieder hat.

„Wir sind ein armes Land, aber wir leben nicht im Elend“, sagt Sandra Reis. Mit den Möglichkeiten, die die evangelisch-presbyterianische Kirche in Portugal hat, versucht sie,  den Armen – ganz gleich welcher Konfession – praktisch zu helfen. In einem Diakoniezentrum gibt es einen Kindergarten und eine Vorschule. Alten Menschen wird Essen nach Hause gebracht. Es gibt eine Lebensmittelausgabe für ca. 140 Familien. Ein Sozialarbeiter und ein Psychologe kümmern sich um Familien in schwierigen Lebensverhältnissen. Über ihre Gemeindemitglieder sagt Sandra Reis: „Es sind vorwiegend arme Leute, aber sie haben ein großes Herz“.

Wer der Pfarrerin aus Portugal zuhört, gewinnt nicht den Eindruck, da sei eine portugiesische Kirche stolz auf ihren Minderheitenstatus, sich selbst genug und igele sich ein. Das Gegenteil ist der Fall. Wenn es zum Beispiel um Hilfe und Unterstützung geht, spricht Sandra Reis nicht vom Geld, sondern vom – wie sie es formuliert –  weltweiten Blick. „Wir sollten nicht mit hängendem Kopf herumlaufen und nur auf unsere eigenen Füße gucken, sondern uns in der Welt umschauen und fragen: was macht ihr für gute Sachen, die  wir auch bei uns machen könnten? Es gibt so vieles, was wir von anderen lernen können. Und es gibt vieles, was wir anderen geben können. Wenn wir den internationalen Austausch verstärken, dann ist das gut für alle“.

Sandra Reis selbst hat in ihrer Jugend an internationalen Freizeiten teilgenommen und in Deutschland auch evangelische Kirchentage besucht, die sie als sehr bereichernd empfunden hat. Sie ist davon überzeugt, dass die Jugendfreizeiten, die das Evangelische Dekanat Bergstraße seit vier Jahren gemeinsam mit Jugendlichen aus Portugal veranstaltet (Foto unten), eine Möglichkeit seien, den Zusammenhalt zu stärken. Austausch über Landesgrenzen hinweg ist für sie keine Einbahnstraße: „Wir in Portugal sind nur der kleine Finger, aber auch der kleine Finger ist wichtig für den ganzen Körper“.

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